Dürener Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft diskutieren auf einer Arbeitsmarktkonferenz über Möglichkeiten der wirtschaftlichen Integration von Migrantinnen und Migranten durch Qualifizierungsmaßnahmen
Auf Einladung des DGB-Bildungswerks und der DGB-Region NRW Süd-West mit Unterstützung des Kreises treffen sich am 14. Februar Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft, um darüber zu diskutieren, wie die Akteure des Dürener Arbeitsmarktes die Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund besser nutzen können. Im Programm sind neben dem Grußwort von Landrat Wolfgang Spelthahn, der Projektvorstellung durch das DGB-Bildungswerk und einem Statement des DGB-Regionsvorsitzenden drei Vorträge vorgesehen: Dr. Lutz Bellmann, Bereichsleiter Betriebe und Beschäftigung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) liefert in seinem Referat Grundlagenwissen zum Thema Weiterbildung, Uwe Loß, Referatsleiter Berufliche Weiterbildung im Arbeitsministerium NRW veranschaulicht die Fördermöglichkeiten für Betriebe im Bereich der Weiterbildung von Migrantinnen und Migranten und Robert Gereci vom DGB-Bildungswerk gibt einen Überblick über Weiterbildungsnetzwerke. „Die Diskussionsrunden sollen deutlich machen, dass Integration gerade durch Weiterbildung möglich ist. Menschen mit Migrationshintergrund können so aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmen und ihr Potenzial gewinnbringend für die Region einsetzen“, erläutert Michaela Dälken, Leiterin des Kompetenzzentrums Gleichbehandlung des DGB-Bildungswerk den weiteren Programmablauf, „Ziel ist es den lokalen Arbeitsmarkt zu stärken.“ Die Arbeitsmarktkonferenz findet im Rahmen des Xenos-Projektes "Die 2. Chance - Interkulturell und gemeinsam vor Ort" statt. Das Projekt wendet sich an Personalentscheider, Akteure des Arbeitsmarktes und Menschen mit Migrationshintergrund. Das Projekt ist ein Modellprojekt in der Stadt Dresden und dem Kreis Düren. Es wird gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, den Europäischen Sozialfonds, das Bundesministerium des Innern, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Deutschen Gewerkschaftsbund. Der Veranstaltungsflyer ist auf der Homepage
www.migration-online.de/am_konferenz_dueren zu finden. Eine Anmeldung ist an dieser Stelle online möglich.
Rückfragen an:
DGB Bildungswerk e.V.
Daniel Weber - Bereich Migration und Qualifizierung
Hans-Böckler-Str. 39,
40476 Düsseldorf
Tel.: 0211/4301-179
Fax: 0211/4301-137
migration@dgb-bildungswerk.de
Kassel erprobt Spezial-Sprachkurse für ausländische Arbeitslose(dpa) Mit berufsnahen Sprachkursen will die Stadt Kassel älteren ausländischen Erwerbslosen wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt geben.
«Die herkömmlichen Sprachkurse helfen in der Regel nicht, weil dort weder die im Arbeitsleben üblichen Redewendungen, geschweige denn sehr spezielle Fachbegriffe erlernt werden», sagte Projektleiter Carsten Höhre am Dienstag. Mit dem nach Angaben der Organisatoren bundesweit einmaligen Projekt sollen die Arbeitssuchenden auf die sprachlichen Anforderungen bestimmter Berufe vorbereitet werden. Das Bundesarbeitsministerium beobachte den Versuch, um das Projekt bei Erfolg auszudehnen.
(Frankfurter Neue Presse vom 14.8.2007)
http://tinyurl.com/2l22fcSpätaussiedler sind von Arbeitslosigkeit besonders stark betroffen(Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom 2.4.2007)
Spätaussiedler haben mit einer Arbeitslosenquote von mehr als 30 Prozent das dreifache Arbeitslosigkeitsrisiko im Vergleich zu den hier aufgewachsenen Deutschen, zeigt eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Sie sind damit sogar deutlich schlechter als Ausländer in den Arbeitsmarkt integriert. Deren Arbeitslosenquote liegt bei 20 Prozent. Das IAB sieht "erhebliche Probleme bei der Arbeitsmarktintegration von Spätaussiedlern".
Gut drei Viertel der Deutschen, aber nur etwas mehr als die Hälfte der Spätaussiedler sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Spätaussiedler sind überdies deutlich schlechter qualifiziert als Einheimische: 36 Prozent der Spätaussiedler haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Bei den hier aufgewachsenen Deutschen gilt dies für knapp 14 Prozent. Auch bei der beruflichen Stellung bestehen große Ungleichheiten zwischen Spätaussiedlern und Deutschen. Rund 70 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Spätaussiedler sind als an- oder ungelernte Arbeiter tätig, weniger als 20 Prozent als Facharbeiter oder Meister und nur zwölf Prozent als Angestellte. Ganz anders liegen die Dinge bei den deutschen Beschäftigten: Mehr als 50 Prozent der Deutschen arbeiten als Angestellte, rund 25 Prozent als Facharbeiter oder Meister und weniger als 18 Prozent als Nicht-Facharbeiter. Ein Blick auf die Berufe der Spätaussiedler, die als Angestellte arbeiten, ergibt ein sehr heterogenes Bild: Neben Helferberufen im Gesundheitswesen finden sich auch prestigeträchtige Berufe wie Arzt, Techniker oder Ingenieur, was aber wegen der insgesamt geringen Zahl kaum ins Gewicht fällt. Spätaussiedler mit Hochschulabschlüssen sind besonders häufig arbeitslos Im Allgemeinen verbessert ein höherer Bildungsabschluss sowohl bei hier aufgewachsenen Deutschen als auch bei Ausländern die Erwerbschancen deutlich. Dies gilt aber nicht für die Spätaussiedler. Dort sind die Hochschulabsolventen nicht nur häufiger als die Facharbeiter arbeitslos, sie sind sogar stärker als die Ungelernten von Arbeitslosigkeit betroffen.
"Spätaussiedler, die über hohe Bildungsabschlüsse aus ihren Heimatländern verfügen, können diese offenbar trotz formaler Anerkennung durch die Kultusministerien schlecht auf dem deutschen Arbeitsmarkt verwerten", schreiben die Autoren der Studie. Zudem würden mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache bei der Besetzung qualifizierter Tätigkeiten stärker ins Gewicht fallen als bei einfachen Tätigkeiten. Mit der "Integrierten Erwerbsbiographie" des IAB ist es erstmals möglich, Spätaussiedler - auch die mit deutscher Staatsbürgerschaft - zu identifizieren und ihre Situation mit der der Deutschen und Ausländer zu vergleichen. Der Datensatz erfasst alle zivilen Erwerbspersonen mit Ausnahme von Beamten und Selbstständigen.
Die IAB-Studie kann unter
http://doku.iab.de/kurzber/2007/kb0807.pdf abgerufen werden.
Sprachkenntnisse beeinflussen ArbeitssucheStudie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
01.04.2007
Die Sprachkenntnisse von arbeitslosen Menschen mit Migrationshintergrund beeinflussen die Intensität und Wege bei der Arbeitssuche.
Dies ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB). Grundlage ist eine Querschnittsbefragung, die zwischen November 2005 und März 2006 durchgeführt wurde.
In der Befragung wurde zwischen zehn verschiedenen Möglichkeiten der Arbeitssuche unterschieden. Zum Beispiel auf eine Stellenanzeige in der Zeitung antworten, selbst eine Anzeige aufgeben, Suche in der Datenbank eines Jobcenters. Möglich war auch eine passive Verhaltensweise, das heißt: auf eine Vermittlung warten. Die Sprachkenntnisse werden daran festgemacht, ob im Haushalt nur Deutsch; überwiegend Deutsch, aber auch eine Fremdsprache; eine Fremdsprache, aber auch Deutsch oder nur eine Fremdsprache gesprochen wird. Bei der Nachfrage beim Arbeitsvermittler und bei der Einschaltung privater Vermittler gibt es zwischen den Gruppen praktisch keine Unterschiede.
Anders sieht das bei der Nutzung von Stellenanzeigen in Zeitungen aus. 89 bzw. 87 Prozent der Arbeitsuchenden aus rein oder überwiegend deutschsprachigen Familien nutzen diese Möglichkeit (Mehrfachnennungen sind möglich). Bei den vorwiegend fremdsprachigen bzw. rein fremdsprachigen Haushalten sind es 80 bzw. 76 Prozent. Auch bei der Suche im Stelleninformationssystem (SIS) der Bundesagentur gibt es ähnliche Unterschiede 59 bzw. 60 Prozent aus deutschsprachigen bzw. überwiegend deutschsprachigen Haushalten gegenüber 49 bzw. 48 Prozent aus überwiegend fremdsprachigen bzw. rein fremdsprachigen Haushalten nutzen das SIS. Die Suche über private Netzwerke wird am häufigsten von Personen genutzt, die im Haushalt überwiegend eine Fremdsprache, aber auch Deutsch sprechen.
Das Sprachverhalten in den Haushalten unterscheidet sehr stark zwischen der ersten und zweiten Zuwanderergeneration. In der ersten Generation sprechen nur bzw. überwiegend Deutsch 37,3 Prozent, in der zweiten sind es 73,4 Prozent. Ein Fazit der Untersuchung:
„Soweit langzeitarbeitslose Migranten starke Defizite bei den Deutschkenntnissen aufweisen, kann hier die Arbeitsmarktpolitik ansetzen ... Neben allgemeinen Deutschkursen können auch Hilfen bei der Vorbereitung von Bewerbungsunterlagen und spezielle Deutschkurse zum Erstellen von Bewerbungsunterlagen und als Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche nützlich sein.“
Der IAB Kurzbericht Ausgabe Nr. 25/18.12.2006 (PDF)Dieser Beitrag wurde der Publikation "Forum Migration April 2007" entnommen.
Neues IAB InfoSpezial„Integrationschancen von Spätaussiedlern“Aus Anlass des Workshops „Integrationschancen von Spätaussiedlern” (http://iab.de/iab/veranstaltungen/spaetaussiedler2007.htm) am 29./30.3.2007 hat das IAB Hinweise auf Veröffentlichungen, Forschungsprojekte, Institutionen und weiterführende Online-Quellen zusammengestellt, in denen die Lage dieser Migrantengruppe thematisiert wird:
http://iab.de/infoplattform/spaetaussiedler(Stand 16.03.2007)
BAMF veröffentlicht den Abschlussbericht zur Evaluation der Integrationskurse(Stand 25.01.2007)
Hier der
Link zur DownloadseiteIntegrationsbeauftragte Böhmer: "Geduldete müssen Arbeit suchen" Auszüge aus einem Interview mit der Frankfurter Rundschau
Frau Böhmer, das Zuwanderungsgesetz ist jetzt gerade zwei Jahre in Kraft. An welchen Punkten hat es Mängel und müsste korrigiert werden?Maria Böhmer: Ein Punkt ist mir besonders wichtig: Wir haben derzeit das größte Wirtschaftswachstum seit 2000. Damit der Aufschwung weitergehen kann, sind wir auf hochqualifizierte Fachkräfte angewiesen und müssen ihren Zuzug erleichtern. Wir stehen im Wettbewerb um die besten Köpfe der Welt. Nach der geltenden gesetzlichen Regelung müssen ausländische Spitzenkräfte das Dreifache des Durchschnittslohnes verdienen, um nach Deutschland kommen zu dürfen. Das ist ein zu großes Hemmnis. Solche Gehälter können gerade kleine und mittelständische Betriebe oft gar nicht zahlen. An dieser Stelle müssen wir das Zuwanderungsgesetz ändern. Wir müssen uns dabei von der Vorstellung verabschieden, dass sich die Qualifikation eines Arbeitnehmers nur an seinem Einkommen bemisst. Entscheidend sind sein Wissen und Können!
Die EU-Innenminister wollen bei ihrem Treffen eine europäische Green Card für Zuwanderer diskutieren. Gute Idee?Nach den Erfahrungen, die wir in Deutschland mit der Green Card gesammelt haben, bin ich sehr skeptisch, ob das das richtige Instrument ist.
Das Zuwanderungsgesetz sollte auch die leidigen Kettenduldungen für bereits lang hier lebende Flüchtlinge abschaffen. Das ist nicht gelungen.
Nun haben die Länderinnenminister dazu eine Bleiberechtsregelung beschlossen. Reicht die aus?Die Innenminister haben eine Regelung getroffen, die sofort greift. Das war ein erster wichtiger Schritt. Die Geduldeten haben jetzt Zeit bis zum 30. September, eine Arbeit aufzunehmen. Dann können sie ein Bleiberecht bekommen. Ich appelliere deshalb an die Wirtschaft, diese Menschen, die sich hier gut integriert haben, nicht als Arbeitnehmer zweiter Klasse zu behandeln, wenn sie sich bewerben. Ich appelliere aber auch an alle, die geduldet sind und unter diese Regelung fallen, sich aktiv um einen Arbeitsplatz zu kümmern. Aber eine zweite Stufe muss nun folgen. Wir brauchen eine bundesgesetzliche Regelung, die unabhängig von der Neuregelung des Zuwanderungsgesetzes jetzt zügig umgesetzt werden muss.
Die bundesgesetzliche Regelung sollte längst unter Dach und Fach sein. Aber seit Wochen streitet die Koalition darüber, was mit Flüchtlingen geschehen soll, die seit Jahren hier leben, aber trotz aller Bemühungen einfach keine Arbeit finden. Die SPD fordert auch für sie ein Bleiberecht.Für mich ist der entscheidende Punkt, dass jemand eine Arbeit aufnimmt. Integration und Arbeit gehören zusammen. Das muss der Kernpunkt sein, auch bei der anstehenden Bleiberechtsregelung auf Bundesebene.
Das bedeutet aber real: Flüchtlinge in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und miserabler Arbeitsmarktlage haben keine Chance auf ein Bleiberecht.Wir verlangen auch von deutschen Arbeitslosen, dass sie ein Jobangebot in einer anderen Region annehmen, wenn vor Ort kein Arbeitsplatz zu finden ist. Auch für die Geduldeten gilt: Man kann die schwierige regionale Arbeitsmarktlage durch Mobilität überwinden.
Also ohne Job kein Bleiberecht?Ich sage klar: Es müssen beide Voraussetzungen erfüllt sein - Integration und Beschäftigung. Gerade in einer Zeit, in der sich der Arbeitsmarkt positiv entwickelt, müssen wir ein deutliches Zeichen setzen, indem wir sagen: Wir wollen, dass Bleiberecht und Arbeit zusammengehören.
2006 war mit dem Integrationsgipfel und der Islamkonferenz ein Auftakt für Diskussionen und Beratungen. 2007 müssten Taten folgen. Was konkret kann der Bund in diesem Jahr auf den Weg bringen?Mitte 2007 wird der Nationale Integrationsplan vorliegen, so wie auf dem Integrationsgipfel 2006 vereinbart. Gemeinsam mit Migrantinnen und Migranten arbeiten wir derzeit in zahlreichen Arbeitsgruppen mit Hochdruck daran. Es gibt drei zentrale Schwerpunkte: Die Beherrschung der deutschen Sprache muss von Anfang an gefördert werden. Wir müssen die Bildungs- und Ausbildungssituation der zweiten und dritten Generation und die Integration in den Arbeitsmarkt verbessern.
Das alles sind Dinge, die in der Verantwortung der Länder und Kommunen liegen. Was konkret tut der Bund?Nur ein Beispiel: Der Bund finanziert die Integrationskurse. Dieses Instrument müssen wir anhand der bisherigen Erfahrungen weiterentwickeln. Wir müssen die Integrationskurse stärker differenzieren. Die bisherigen 600 Stunden Sprachförderung reichen nicht aus für diejenigen, die mit geringem Bildungsstand oder auch als Analphabeten zu uns kommen. Hier brauchen wir ein deutlich erhöhtes Stundenangebot. Wir brauchen auch spezielle Kurse für Jugendliche mit Orientierung auf Ausbildung und Beruf und wir müssen mehr Kursangebote schaffen, die sich gezielt an Mütter richten. Wenn die Mütter gut integriert sind, gelingt auch die Integration der Kinder. Darüber hinaus liegt mir besonders ein Projekt am Herzen. Ich werde in diesem Jahr ein bundesweites Netzwerk \"Bildungspaten\" aufbauen. Dort, wo Eltern ihren Kindern nicht die nötige Hilfe geben können, weil sie unser Schulsystem nicht kennen oder einen zu niedrigen Bildungsstand haben, sollen ehrenamtliche Bildungspaten aktiv werden. Einige Projekte dieser Art gibt es bereits. Wir wollen, dass diese Beispiele bundesweit Schule machen.
Interview: Vera Gaserow (FR vom 16.01.2007)
Quelle: Newsletter von Pro Integration
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1051215Unterschriften für höhere Bezahlung von IntegrationslehrernGEW Baden-Württemberg macht auf prekäre Arbeitsverhältnisse aufmerksam, die auch in unserer Region aktuell sind. Seit Jahren wehren sich Honorarlehrkräfte mit Appellen gegen den Verfall der Honorare in den vom Bund unterfinanzierten Deutsch- und Integrationskursen für Zuwanderer.
Mit ihrer langjährigen Berufserfahrung versuchten sie bereits vor der Verabschiedung auf das Zuwanderungsgesetz einzuwirken, um die Arbeitsbedingungen für sich und die Lernbedingungen für die Kursteilnehmer zu verbessern.
Unter dem Zuwanderungsgesetz beträgt die Finanzierung nur noch 2,05 Euro pro Unterrichtseinheit und Teilnehmenden. Die Höhe der Honorare ist nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben und bewegt sich zwischen 7,– und 20,– Euro.
Davon müssen die freien Lehrkräfte nicht nur die Kurse halten, sondern auch die Vor- und Nachbereitung bestreiten, die unterrichtsfreien Tage, Urlaub, Feier- und Krankentage überbrücken, ihre Sozialabgaben und Steuern und ihre Fahrt- und Betriebskosten entrichten. „Wer Integration fordere, müsse auch die entsprechenden Mittel dafür bereitstellen“, meinen Integrationslehrerinnen aus Reutlingen und riefen eine Unterschriftenkampagne ins Leben. „Gelungene Integration sei immer ein zweiseitiger Prozess, der entschiedener Anstrengungen auf der Seite der aufnehmenden Gesellschaft bedarf, heißt es in der
Petition. In diesem Sinne seien deutliche Verbesserungen bei der Integrationsförderung notwendig.
Eine zwangsverpflichtende Teilnahme an den Kursen lehnen die Initiatorinnen ab.
Kontakt:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Margrit Schatz
Silcherstraße 7
Link zur Petition70176 Stuttgart
Telefon 07 11/2 10 30 46
www.gew-bw.de/Weiterbildung.html
Dieser Beitrag wurde der Publikation "Aktiv + Gleichberechtigt Januar 2007" entnommen.
Ein knappes Ausreichend ChefsacheGutachten im Auftrag der Bundesregierung:
Die Integrationskurse für Ausländer sind stark verbesserungsbedürftig
Berlin - Hamburg-Wilhelmsburg, München-Hasenbergl oder Berlin-Neukölln
- statt Integration heißt der Alltag von Ausländern in Deutschland
oftmals Leben in der Parallelgesellschaft. Mit einem
Integrationsgipfel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel deshalb das Thema
im Sommer zur Chefsache gemacht. Doch auch die Integrationskurse, die
der Misere einem Allheilmittel gleich abhelfen sollten, haben noch
keine Erfolgsgeschichte geschrieben. In einem Gutachten für das
Bundesinnenministerium, das die Firma Rambøll Management erstellt hat,
kommen die Kurse jetzt über ein knappes Ausreichend nicht hinaus.
In dem Gutachten, das dem Tagesspiegel im Entwurf vorliegt, heißt es:
"Zentrales Ergebnis der Evaluation ist, dass die bisherige Umsetzung
zwar grundsätzlich zielführend und funktionsfähig ist, jedoch in
zentralen Handlungsfeldern teilweise grundlegende Verbesserungen
hinsichtlich der Effizienz vorgenommen werden können." Das Gutachten
bemängelt insbesondere eines: Im Vordergrund stehe die Organisation
der Kurse, nicht der erfolgreiche Abschluss für die Teilnehmer.
Entsprechend gering sei auch die Erfolgsrate. Allein die
Teilnahmequote an der Abschlussprüfung liege bei nur 40 Prozent.
Als erste Maßnahme zur Verbesserung empfehlen die Gutachter nun die
"Einführung von verpflichtenden Abschlusstests". Im Anschluss an die
Kurse müsse eine vereinheitlichte kostenfreie Prüfung durch
unabhängige Prüfer stehen. Außerdem soll es nach Rambøll auch einen
durch unabhängige Prüfer durchgeführten verpflichtenden
Einstufungstest geben, um die Zusammensetzung der Kurse je nach Niveau
besser zu steuern.
Die Überprüfung hat auch ergeben, dass die bisherige Festlegung auf
600 Stunden Sprachkurs für alle nicht zu halten ist. Rambøll plädiert
für "flexible Stundenkontingente" und eine Differenzierung nach den
Vorkenntnissen und Lernfortschritten der Teilnehmer. Für Langsamlerner
und Analphabeten oder nicht lateinisch Alphabetisierte müssten 900
Stunden angesetzt werden. Auch für Jugendliche bedürfe es, um deren
Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern, eine spezielle Förderung etwa
in einem zusätzlichen 300-stündigen Jugendkurs.
Um den Erfolg zu verbessern, schlagen die Gutachter auch einen Ausbau
der Kinderbetreuung vor, denn 40 Prozent der Abbrüche sind nach der
vorliegenden Analyse der fehlenden Kinderbetreuung geschuldet.
Im Gegenzug weist Rambøll auch auf fehlende Verpflichtungs- und
Sanktionsregularien hin. Spätaussiedler und Neuzuwanderer würden gut
mit den Kursen erreicht. Allerdings könne die Erreichbarkeit von
"Altzuwanderer/innen noch weiter gesteigert werden", insbesondere bei
Beziehern von Sozialleistungen, die durch die Behörde zum Kurs
geschickt wurden. Um jene stärker in die Kurse zu bekommen, schlagen
die Gutachter vor, dass erstens nicht nur die Ausländerbehörden,
sondern auch die Sozialbehörden die Leute in den Kurs schicken dürfen
- und dass diese Behörden dann auch über eine Nichtteilnahme direkt
informiert werden. Sie könnten dann als Sanktion Leistungen kürzen.
Ohne zusätzliche Kosten lassen sich die Empfehlungen aber wohl nicht
umsetzen, auch wenn das Gutachten keine Gesamtsumme nennt. Und Rambøll
schlägt außerdem noch vor, die direkte Finanzierung auszubauen. Statt
bisher 2,05 Euro pro Teilnehmer pro Stunde sollten die Zahlungen an
die Kursträger mindestens 2,20 Euro bis drei Euro betragen. Im
Gutachten werden hier drei Rechenmodelle ausgeführt. Der konkrete
Betrag bliebe aber, wie bei den anderen Empfehlungen auch, eine
politische Entscheidung. Der Entwurf des Gutachtens wird derzeit in
einer Arbeitsgruppe des Integrationsgipfels beraten. In Abstimmung mit
dem Bundesinnenministerium sollen Konsequenzen aus der Evaluierung
vereinbart werden.
Die Integrationskurse sind ein zentrales Element des lange
umstrittenen und derzeit in der Überarbeitung befindlichen
Zuwanderungsgesetzes und stehen im Mittelpunkt der Diskussion um die
bessere Integration von Ausländern in Deutschland. Im
Zuwanderungsgesetz sind 600 Stunden Sprachkurs und 30 Stunden
Orientierungskurs als "Integrationskurs" festgelegt. Bis zum 1. Juli
2007 muss das Bundesinnenministerium dem Bundestag einen
Erfahrungsbericht über die Durchführung und Finanzierung der
Integrationskurse vorlegen. Das Gutachten der Firma Ramboll dient als
Grundlage für diesen Erfahrungsbericht. Über ihn berät derzeit eine
Arbeitsgruppe des Integrationsgipfels, mit dem Bundeskanzlerin Angela
Merkel im Sommer dieses Jahres das Thema Integration zur Chefsache
gemacht hat.
babs
Von Barbara Junge
(Der Tagesspiegel vom 19.12.2006)
http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/19.12.2006/2973236.asp#
Integrationskurse in der Praxis
Dieser Beitrag wurde der Publikation "Forum Migration Dezember 2006"
entnommen.
Seit dem 1. Januar 2005 sind mit dem neuen Zuwanderungsgesetz
staatliche Integrationsangebote für Migranten gesetzlich geregelt. Den
Kern der Integrationsmaßnahmen bilden dabei die so genannten
Integrationskurse, die aus einem Sprach- und einem Orientierungskurs
bestehen. Der Sprachkurs umfasst einen Basis- und einen Aufbaukurs von
insgesamt 600 Stunden. Der 30-stündige Orientierungskurs vermittelt
den Teilnehmern Landeskunde, deutsche Geschichte und Kultur. Ziel der
Integrationskurse ist die Förderung der Integration von Migranten im
Sinne gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengleichheit. Dazu gehört
der Erwerb ausreichender Sprachkenntnisse.
Doch reichen dazu 630 Unterrichtsstunden aus? Zahlreiche
Erfahrungsberichte aus der Praxis ergeben ein kritisches Resümee.
Insbesondere für Analphabeten und bildungsferne Teilnehmer reichen 600
Deutschstunden längst nicht aus, um die Sprache zu lernen. Diese
Aussage können wir nur bestätigen. Laut unserer Erfahrung müsste der
Stundensatz der Sprachkurse deutlich erhöht (ideal wären 1.200
Stunden) und gleichzeitig die Gruppen auf 10 bis maximal 15 Teilnehmer
(zurzeit liegt die Teilnehmerzahl bei etwa 20) verkleinert werden, um
Lernerfolge zu garantieren. Außerdem ist es wichtig, dass die
Lerngruppen homogen sind, damit alle Teilnehmer die Chance haben,
ihrem Bildungsniveau entsprechend zu lernen. Es macht keinen Sinn,
wenn mitunter Analphabeten und solche mit schon akzeptablen
Deutschkenntnissen in Kursen nebeneinandersitzen; extreme
Bildungsunterschiede erschweren den Unterricht und führen auf beiden
Seiten zu Frustration und Misserfolgen.
Wir plädieren für ein "maßgeschneidertes Angebot", weil die
Integrationskurse die bisher in sie gesetzten Erwartungen nicht
erfüllen. Spezielle Angebote, wie zum Beispiel für Jugendliche,
Frauen, Schnell- und Langsamlerner sowie Analphabeten müssen weiter
ausgebaut werden, damit eine stärkere Differenzierung der Kurse
gewährleistet werden kann. Auch der Erfolg des Orientierungskurses,
der den Teilnehmern in nur 30 Stunden Kenntnisse der Rechtsordnung,
der Kultur und der Geschichte Deutschlands, insbesondere auch Werte
des demokratischen Staatswesens und der Prinzipien der
Rechtsstaatlichkeit, vermitteln soll, ist fragwürdig. Wie sollen
Zugewanderte mit unzureichenden Sprachkenntnissen innerhalb kürzester
Zeit ein ihnen fremdes Land in seiner Komplexität kennen und
verstehen lernen? Außerdem ist der Orientierungskurs rein theoretisch
aufgebaut - es fehlt der praktische Bezug zum Alltags leben in
Deutschland. Und unzureichende Kenntnisse über das gesellschaftliche
Leben behindern wiederum die Sprachentwicklung. Deshalb halten wir
konzeptionelle Änderungen für unumgänglich: neben der Erhöhung der
Stundenzahl ist auch ein handlungsorientierter Verlauf des Unterrichts
ein wichtiger Baustein zur qualitativen Verbesserung der
Integrationskurse.
Weiterhin beklagen wir den enormen bürokratischen Aufwand (Beratung
und Hilfestellung, Statistiken, Abrechnungsmodalitäten,
Finanzierungspläne, Absprache mit Ämtern, Datenpflege), der mit den
Kursen verbunden ist und der sich durch die erforderliche
sozialpädagogische Betreuung noch weiter erhöht. Auch die Finanzierung
der Sprachkurse sollte verbessert werden, damit die Bezahlung von
qualifizierten Lehrkräften gesichert werden kann. Ein weiterer
Kritikpunkt ist das breite Spektrum der eingesetzten Lehrbücher und
fehlende Vermittlung von Grammatik. Viele Bücher haben ihren
Schwerpunkt in der Konversation und behandeln Grammatik und Phonetik
nur sekundär. Da jedoch die Grammatik das Gerüst einer Sprache ist,
sollte mehr Wert auf grammatikalische Inhalte gelegt werden. Außerdem
wäre es angebracht, moderne Lehrbücher als Standardlektüre
einzuführen, um aktuelle und homogene Lerninhalte zu erzielen.
In unserer Arbeit mit ratsuchenden Migranten stellen wir immer wieder
fest, dass ihnen nach dem Besuch eines Integrationskurses keine
weiteren Angebote zur Verfügung stehen und sie nicht wissen, wie sie
ihre Deutschkenntnisse verbessern können. Allein der Besuch einer
Schule vermittelt keine ausreichenden Sprachfähigkeiten. Wichtig ist
die praktische Anwendung in Alltagssituationen, mit denen die
Zugewanderten konfrontiert werden. So wäre zum Beispiel eine
sozialpädagogische Begleitung der Integrationskurse zur Vermittlung
von Praktika oder weiterführenden Maßnahmen der Arbeits- oder
Sozialverwaltung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Christine Failing, Mitbegründerin von PHOENIX-Köln
PHOENIX-Köln e.V. ist eine politisch und konfessionell unabhängige und
gemeinnützige Selbsthilfeorganisation, die 2002 von Migranten aus den
Ländern der ehemaligen UdSSR und Einheimischen gegründet wurde, um
russischsprachigen Menschen bei ihrer Integration zu helfen.
http://www.migration-online.de/beitrag.html?id=4734
Menschen mit MigrationshintergrundWas macht eigentlich die BA?:Kommentar Heinrich Alt Vorstand Operativ der Bundesagentur für Arbeit (BA) 01.10.2006
Dieser Beitrag wurde der Publikation
"Forum Migration Oktober 2006" entnommen.
Zunächst herrscht Verwirrung – wovon reden wir eigentlich? Jeder weiß, wer gemeint ist, aber niemand erfasst diesen Personenkreis. Ausländer, Aussiedler oder Asylbewerber sind statistisch auszuweisen; aber wer einen deutschen Pass besitzt, verschwindet aus allen einschlägigen Statistiken, auch wenn er typische Migrationsprobleme wie Sprachdefizite hat. Auch haben beileibe nicht alle Aussiedler und Ausländer Integrationsschwierigkeiten. Und die migrationsbedingten Vorteile, die nimmt kaum jemand zur Kenntnis.
Was wir erkannt haben: Ausländer sind stärker von Arbeitslosigkeit betroffen, nehmen seltener an Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen teil, partizipieren unterdurchschnittlich an beruflicher Erstausbildung, haben ein zu geringes Qualifizierungsprofil. Was wir aber nicht genau wissen: Sind es migrationsspezifische, soziale, qualifikatorische, geschlechtsspezifische oder agenturinterne Defizite, die zu diesen Ergebnissen führen? Deshalb verfolgen wir in der Bundesagentur vier Strategien, die Licht in den Tunnel bringen und den Betroffenen eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen sollen:
Individuelles Fallmanagement und individualisierte HandlungsprogrammeNicht zielgruppenspezifische, sondern am individuellen Handlungsbedarf orientierte Strategien helfen wirklich, dem Ziel einer beruflichen Qualifizierung und Integration näher zu kommen. Bei migrationsspezifischem Hand- lungsbedarf, der über ein gutes Fallmanagement mit entsprechendem Profiling festgestellt ist, sollen die diesem entsprechenden Angebote unterbreitet werden. Durch ein Controlling der Ergebnisse, das zielgruppenspezifische Betrachtung umfasst, soweit dies die Statistik zulässt, wird transparent, ob Benachteiligungen bestehen bleiben oder abgebaut werden. Letzteres ist unser erklärtes Ziel.
Bei eindeutigen Problemlagen Rückgriff auf SonderprogrammeDie fehlenden Ausbildungsplätze für jugendliche Schulabgänger mit Migrationshintergrund sind ein gutes Beispiel für ein solches Sonderprogramm, das in den Jahren 2006 und 2007 mindestens 7.500 zusätzliche überbetriebliche Ausbildungsplätze für diesen Personenkreis zur Verfügung stellt.
Nutzung der Kompetenz Dritter in NetzwerkenUm den Weg in die Arbeitsagentur oder Arge zu finden, gibt es zahlreiche Barrieren für Migranten. Spezifische Träger, kommunale Einrichtungen oder nationale Communities haben oft besseren Zugang zu dieser Gruppe. Wir lassen uns aktiv in Netzwerke wie das IQ-Netzwerk oder in lokale EQUALAktivitäten einbinden, um gemeinsam zu besseren Lösungen zu kommen.
Interkulturelle Kompetenz der eigenen Mitarbeiter ausbauen Die Bundesagentur für Arbeit ist dem Grundsatz eines „Diversity-Managements“ durch Vorstandsbeschluss verpflichtet. Interkulturalität ist ein wesentlicher Baustein dieser Verpflichtung. In der Personalrekrutierung findet dies ebenso seinen Nie der schlag wie in einer kontinuierlichen modularen Schulung der vorhandenen Mitarbeiter auf allen Ebenen. Auch wenn dieser Weg erst mittelfristig Veränderungen und Erfolge verspricht, wird er zielstrebig fortgesetzt.
Ausländische Azubis in Fertigungsberufen immer seltener - Statistisches BundesamtWIESBADEN – In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Auszubildenden mit ausländischer Staatsangehörigkeit kontinuierlich von 121 000 auf 68 000 im Jahr 2005 gesunken. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilt, waren davon die Fertigungsberufe mit einem Rückgang von rund 41 000 Auszubildenden am stärksten betroffen. Dagegen fiel die Abnahme in Dienstleistungsberufen mit rund 11 000 moderater aus. In Verbindung mit der generellen Schwerpunktverlagerung der Berufsausbildung von Fertigungs- zu Dienstleistungsberufen sank der Anteil ausländischer Auszubildender in Fertigungsberufen von 8,7% in 1995 auf 3,8% in 2005 und in Dienstleistungsberufen vergleichsweise moderat von 7,1% auf 5,1%.
Insbesondere bei Fertigungsberufen, deren Berufsbilder modernisiert und an gestiegene Anforderungen angepasst wurden, waren von 1995 bis 2005 deutliche Rückgänge des Anteils ausländischer Auszubildender zu verzeichnen: So verringerte sich zum Beispiel beim Beruf „Kraftfahrzeugmechaniker/in“ (Nachfolgeberuf „Kraftfahrzeugmechatroniker/in“) der Anteil ausländischer Azubis von 12% auf 4% (- 6 000) bei „Elektroinstallateur/in“ (Nachfolgeberuf „Elektroniker/in - Energie und Gebäudetechnik“) von 10% auf 5% (– 4 000). Aber auch bei unverändert gebliebenen Berufsbildern, wie zum Beispiel „Maler/in und Lackierer/in“, ist der Anteil der Ausländer und Ausländerinnen von rund 10% auf 6% (– 2 000) gesunken.
Zahl der Woche 19.09.2006
Weitere Auskünfte gibt:
Marianne Renz,
Telefon: (0611) 75-4141
E-Mail:
berufsbildungsstatistik@destatis.de Der lange Schatten der Immigration
Schlagartig wurden die Deutschen am vergangenen Wochenende mit einem Problem konfrontiert, das sie am liebsten und seit Jahren verdrängen:
Die Konsequenzen der Migration in Deutschland.
Es bedurfte wohl eines Paukenschlages wie der Festnahme eines mutmaßlichen Bombenlegers aus dem Libanon, um die deutsche Öffentlichkeit aufzuschrecken."Noch nie war die Bedrohung so nahe", lässt uns der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble vernehmen. Wohl wahr, aber leider wollte das Publikum die Gefahr bisher nicht zur Kenntnis nehmen. Frei nach dem Motto: Wir waren beim Irak-Krieg nicht dabei,dann wird dieser Terrorismus-Kelch schon an uns vorübergehen. Diese Haltung hat sich nun als Selbsttäuschung erwiesen. Und so wird es in Kürze auch der zweiten deutschen Wahrheitsverdrängung in Sachen Migration ergehen: Der Integration de rEinwanderer in die deutsche Gesellschaft. Jahrelang haben sich fast alle Deutschen vorgemacht, irgendwie würden die vielen Ausländer, die wir für die Industrieproduktion der 50er, 60er und 70er Jahre brauchten, schon Teile der deutschen Gesellschaft werden oder gegebenenfalls wieder in ihre Heimat zurückkehren. Sind sie aberl eider nicht! Ganz im Gegenteil, das Problem hat sich zu einer Zeitbombe entwickelt, die in allernächster Zeit explodieren kann.
Zur Erläuterung einige Zahlen:
In Berlin haben 40 Prozent der Jugendlichenunter 18 Jahren einen, wie das schön euphemistisch heißt, Migrationshintergrund. Das wäre an sich kein Problem, wenn, ja wenn diese Kinder einen normalen Schul- und Ausbildungsgang durchlaufen würden. Dem ist abe rnicht so.
Doppelt so viele wie bei ihren gleichaltrigen Altersgenossenohne Migrationshintergrund, schaffen die verschiedenen Schul- und Bildungsabschlüsse nicht und steuern so auf ein Leben als Sozialhilfeempfänger hin. Nun ist es nicht so, dass alle diese Kinder Problemfälle für Schule und Gesellschaft sind, aber eben doppelt soviele wie bei den anderen.Und hierbei gebietet die Ehrlichkeit auch festzustellen, dass es sich in der Regel nicht um Italiener und Spanier, Portugiesen oder Griechenhandelt, sondern um nicht-europäische Immigranten. Und fairerweise muss man auch konstatieren, dass es Städte und Gemeinden gibt, bei denen liegt der Anteil von Nicht-Deutschen noch viel höher als in Berlin, so im Stadtkern von Offenbach, da sind es 70 Prozent. Abe rüberall sind es die gleichen Probleme. Die Integration muss aber gelingen, sonst rollt das Problem der desintegrierten Bevölkerung auf uns zu.Das klingt theoretisch nüchtern und gar nicht so gefährlich. Realiter aber heißt dies, dass zwischen den ethnischen Gruppen untereinanderund dem Staat ein Bürgerkrieg ausbrechen kann und dass die Gesetze, nach denen wir unser Zusammenleben gestalten, dann nicht mehr gelten. Das wäre das Chaos. Einen Vorgeschmack von Nicht-Integration erlebenderzeit die Briten. In Großbritannien glaubte man lange Zeit, die Integration auch der Einwanderer aus dem islamischen Raum sei gelungen. Mehrere sitzen derzeit im House von Commons und selbst in ehrwürdigen House of Lords gibt es eingebürgerte Immigranten. Mächtig stolz war man im Mutterland der Demokratie auf diese Leistung. Und nun die Katastrophe. Aus bürgerlichem, britischen Milieu lassen sich wohlverdienende Immigranten-Kinder der dritten Generation im Eilverfahren für die terroristische Blut-Arbeit der islamistischen Fundamentalisten einwerben.J etzt hat im Vereinigten Königreich das Umdenken eingesetzt. Was machen wir, fragen die Briten, wenn die ganze Integration trotz allerBemühungen nicht klappt. Das beweisen doch über 20 Prozent alle befragten islamischen Jugendlichen, die den islamistischen Terror berechtigt finden. Wie will die Regierung die guten von den bösen Einwanderern unterscheiden? Was passiert, wenn beim nächsten Anschlagvielleicht mit einer schmutzigen, nuklear verseuchten Rucksack-Bombe in Großbritannien vielleicht nicht 700, sondern 20.000 Menschengetötet oder verletzt werden? Will man dann die gesamte islamische Bevölkerung in Großbritannien für die Tat in Haftung nehmen? Oderv erlangt ein empörtes Volk nach Rache an dem Land, das die Terroristen inspiriert und bewaffnet hat? Das alles sind Fragen, die man sich in Deutschland entsprechend der political correctness derzeit nicht stellt - aber vielleicht in Kürze?
Da kann man nur hoffen, dass die Deutschen in einem Krisenfall genau so liberal und gelassen reagieren,wie dies die Briten bisher immer taten.
Von Friedrich Thelen(Deutschlandradio vom 23.8.2006)
Dies wird auch in der Stellungnahme des Bundesministeriums des Inneren zur Überprüfung des
Zuwanderungsgesetzes gefordert.
2. Aufhebung der Förderungsgrenze von derzeit 27 Jahren und Wegfall von zeitlichen Beschränkungen bei der Antragstellung, um das Potenzial insbesondere der erwachsenen Akademiker zu erreichen.
Nach Schätzungen würden somit über 15.000 Personen neu in die Förderung einbezogen. Zusätzliche finanzielle Mittel sind hierfür nicht notwendig, da die Zahl der Zuwanderer zurückgeht und die freien Kapazitäten genutzt werden könnten.
Diese Maßnahmen, die gleichzeitig einer nachholenden Integration dienen, bringen langfristig auch Kostenvorteile mit sich.
Gerade für die Zuwanderer, die bereits im Herkunftsland ein Studium aufgenommen oder abgeschlossen haben, verbessert sich die Kosten-/Nutzenrechnung weiter zu Gunsten des aufnehmenden Staates. Entweder sind lediglich verkürzte Maßnahmen zum Erwerb der Hochschulreife notwendig, da Teile des mitgebrachten Studiums angerechnet werden können oder durch ein Ergänzungsstudium zu erwerben.
Wortlaut der Resolution der Sprachkursträger der Otto-Benecke-Stiftung e. V., Bonn
Quelle: http://www.prointegration.org/doc/OBS_Resolution_060809.doc
Die Freiheit, fremd zu sein
Integration ist die heilige Kuh des Zeitgeistes: Arbeitslose, Gebärunwillige und Ausländer sollen den Erfordernissen der Zeit gehorchen und sich integrieren, um als Einheit auf ein ungewisses Ziel hinzuarbeiten. In diesen Plädoyers wird vergessen, dass Desintegration ein kultureller Wert ist
VON CHRISTIAN KORTMANN
Integration - mit kaum einem Schlagwort kann man sich heute größerer Zustimmung sicher sein. Doch jedes Mal, wenn, zum Beispiel in einer politischen Talkshow von einem Herrn in grauem Anzug, die "vollständige Integration" von Ausländern gefordert wird und dies beim Publikum auf Beifall stößt, ahnt wohl keiner der Beteiligten, was es bedeutet, Ausländer zu sein. Wer selbst im Ausland gelebt hat, weiß, wie schwierig es ist, in einem Land zurechtzukommen, in dem man Sprache und Sitten erst erlernen muss und in dem man von jedem als Fremder behandelt wird: Ausländersein ist eine der intensivsten Erfahrungen der menschlichen Freiheit und ihrer engen Verwandtschaft mit der Verlorenheit. "People are strange when you're a stranger / Faces look ugly when you're alone / Women seem wicked when you're unwanted / Streets are uneven when you're down", sang bekanntlich Jim Morrison.
Am wenigsten wünscht man sich da, von irgendjemandem aufgefordert zu werden, dies oder das zu tun, etwa auf einem Bogen Fragen zur Landeskunde zu beantworten, die einen nicht interessieren. Denn auch das weiß, wer die Fremde kennt: Das Individuum lebt ja überall ähnlich. Egal, wohin es verpflanzt wird, es passt sich nicht vollständig den regionalen Sitten an, sondern richtet vielmehr die eigenen Gewohnheiten anhand der Möglichkeiten der neuen Infrastruktur aus. Das Gerüst eines vertrauten Alltags ist die einzige Konstante im Leben des Entwurzelten. Ob er irgendwo einheimisch wird oder immer fremd bleibt, das ist eine individuelle Mentalitätsfrage, aber nichts Verordenbares.
Einige der größten, allseits bewunderten Kulturleistungen wurden von gesellschaftlich Unangepassten und Desintegrierten vollbracht, die an jedem Ort Exilanten waren. Ja, gegen das Klischee der glatt integrierten Gesellschaft, in der jeder tut, was die Mehrheit von ihm erwartet, darf man ruhig mal wieder das Klischee des genialischen Außenseiters setzen, dessen Schöpfungen von seiner Differenz zur Norm befeuert werden. Man denke deshalb an den Dichter Arthur Rimbaud oder an Vincent Van Gogh. Der Schriftsteller Henry David Thoreau beschrieb 1854 in "Walden oder Das Leben in den Wäldern" seinen Ausstieg aus der verrohten Zivilisation als den wahrhaft zivilisierten Akt: Lieber isoliert, so lässt es sich auf eine Formel bringen, als vom falschen Leben umzingelt. Und Robert Smith, Sänger der Band The Cure und bleicher Zeremonienmeister der "disintegration", hat ein ganzes Album nach ihr benannt. Solcherart gelagerte Fälle hatte Sigmund Freud im Sinn, als er bemerkte, dass große intellektuelle Würfe nur einem einsam arbeitenden Individuum möglich seien.
Nicht nur, weil man selbst nicht von irgendwem als irgendwas integriert werden möchte, gilt es in diesen Tagen, da Arbeitslose zu Tätigkeiten weit unter ihrer Qualifikation gezwungen werden und feiste Männer unwidersprochen gebärunwillige Frauen im Namen des Volkswohls zum Kinderkriegen auffordern, an den kulturellen Wert von Individualismus und Desintegration zu erinnern. Denn die von der Mehrheit definierte und gewünschte Norm ist nicht per se erstrebenswert. Von ihr geht nämlich seit jeher ein immenser Druck aus, Außergewöhnliches zu stutzen, um es ins herrschende Mittelmaß einzupassen. Für den kulturellen Fortschritt ist es aber umso wichtiger, dass der Einzelne genug Eigensinn an den Tag legt, um seine Ideen durchzufechten, auch wenn es dafür keinen Applaus gibt. Durch mehr Mut, Andersartigkeit und Desintegration zuzulassen, würde die Gesellschaft innovative Impulse gewinnen. Sie würde das de facto vorhandene, bislang verschmähte Potenzial der so genannten Parallelgesellschaften nutzen, die dort entstehen, wo sich mehrere Desintegrierte zusammentun.
Solche Parallelgesellschaften gelten gemeinhin als Bedrohung der sozialen Ordnung. Doch das Gegenteil ist der Fall: Parallelgesellschaften sind nicht das Hauptproblem des Staates, sondern Thinktanks der Vielfalt und deshalb eine der erfreulichsten Erscheinungen im Deutschland der Gegenwart. Auch wenn der Kontakt zu ethnisch formierten Parallelgesellschaften oft nur flüchtig ist, etwa im türkischen Imbiss, so empfindet man es als beruhigend, dass Einwanderer selbstverständlich ihren gewohnten Lebensstil pflegen können. "Multikulti" war für diese Realität immer schon ein zu harmloser Begriff. Es geht nicht um eine bunte Menschendekoration und exotische Speisenauswahl im Alltag, sondern um eine Gesellschaft, in der Unangepasstheit möglich ist. Wer sich die Mühe macht, genauer hinzuschauen, erkennt, dass sich hinter jeder Parallelgesellschaft ein reiches Paralleluniversum mit eigenen Regeln und Mythen verbirgt. Weil ein beachtlicher Anteil der Bevölkerung in den parallelen Realitäten lebt, scheint die Gesellschaft immunisiert gegen reaktionäre Fantastereien von "deutscher Leitkultur" und "Schicksalsgemeinschaft", in die, wie der CDU-Politiker Volker Kauder meint, Einwanderer sich zu fügen hätten: bislang der Tiefpunkt im großen Integrationsgefasel.
Im Grunde leben wir doch alle parallel nebeneinander her, in relativ harmonischer Desintegration. Denn Parallelgesellschaften konstituieren sich nicht nur über ethnische Zugehörigkeiten. Ebenso können ein Hobby, etwa der Reitsport, eine ökologisch-alternative Weltanschauung, die sich über den Einkauf im Bioladen definiert, oder die Mitgliedschaft im Fanclub von Tokio Hotel einen ganzheitlich-esoterischen Lebensstil hervorbringen. Berührungspunkte haben diese Parallel-Szenen nur mehr auf der staatlichen Plattform, die sie ermöglicht. Zudem grenzen als vielleicht wichtigster Faktor Einkommensunterschiede soziale Gruppen voneinander ab: Wenn man die heutige Gesellschaft überhaupt als Einheit beschreiben will, dann ist sie eine große Zweck-Wohngemeinschaft. Unter den Grundbedingungen von Demokratie und Migration wird sich diese Tendenz in Zukunft verstärken und die homogen germanische Musterfamilie, von der Volker Kauder und andere träumen, nur eine Variante von vielen sein. Wenn alle Parteien in dieser Zweck-WG also ohnehin die Rollen spielen, die sie wollen, als wen oder was sollte man da einen Neuankömmling integrieren?
Aus dieser Perspektive erscheinen Landeskunde-Fragebögen und Integrationskurse als Bedingung für die Einbürgerung vollends lächerlich: Als könne es im Kosmos der unfassbar vielfältigen Kultur der Gegenwart (deren Wissen in der Tat unendlich ist, weil es jeden Tag wächst, was früher nur in Bibliotheken nachzuvollziehen war und heute an Internetsuchmaschinen verblüfft) einen Kanon von verbindlichen Fragen geben! Das Leben ist so viel mehr als der traurig-verklemmte Minderheitenbereich der "deutschen Leitkultur". Vive la différence: Klar, das ist ein ziemlich alter Slogan, aber man könnte ihn auch heute wieder gut an jede Wand sprühen.
Eine weltoffene Gesellschaft sollte nicht nur Integration ermöglichen, sondern muss sich auch das Angebot zur Desintegration leisten. Sich überall fremd fühlen zu dürfen, nicht mitzumachen, desintegriert bis zur Asozialisation, ist eine ebenso luxuriöse wie unabdingbare individuelle Freiheit, die Demokratien aushalten müssen. Keine Sorge: Auch Außenseiter und Parallelgesellschaften sind bemüht, nicht gegen die Gesetze des staatlichen Gesamtgefüges zu verstoßen, da sie ja am eigenen Ast sägen würden. Aber es wirkt weltfremd, Integration von wem auch immer einzufordern. Solche Forderungen mutieren gar zu Heuchelei, wenn man sieht, wie vorbildlich Deutsche sich im Ausland integrieren, etwa in Mallorca: Als Tourist bestellt man hier in Restaurants ganz selbstverständlich auf Deutsch, was einen aber nicht daran hindert, zu Hause Sprachtests für Einwanderer zu fordern. Wer dauerhaft übersiedelt, der sorgt dafür, dass er auf der Baleareninsel den gewohnten Lebensstil im deutschen Bekanntenkreis führt, inklusive deutschem Bäcker, der das unverzichtbare Vollkornbrot backt. Richtig glücklich ist der Mensch eben nur in seiner Parallelgesellschaft - ob integriert oder desintegriert, das kann man sich nicht immer aussuchen.
taz Nr. 8052 vom 19.8.2006, Seite 20, 272 Kommentar CHRISTIAN KORTMANN